Mit diesem Thema befasst sich unser Beitrag von Helen Siegel und Frau Prof. Dr. Elisabeth Heinemann, die an der Fachhochschule Worms einen Lehrstuhl für Schlüsselqualifikationen hat.
Stellen Sie sich vor, Sie hätten einen großen Garten. Vielleicht haben Sie den sogar. Umso besser! Stellen Sie sich zudem vor, Ihr Gärtner wäre überaus kompetent – sozusagen mit Ihren Pflanzen auf „Du und Du“. Und nun stellen Sie sich noch vor, Sie würden gerne einen Koi-Teich anlegen. Wäre Ihr Gärtner dann der richtige Partner? Vermutlich nicht! Denn (nicht nur) bei Gärtnern trifft man zumeist auf folgende beiden Spezies:
- Generalisten: Sie haben „auch schon mal etwas mit Teichen gemacht“. In punkto Wasserpflanzen glänzen sie aber mit Halbwissen. Und selbstverständlich kennen sie die beliebtesten Teichbewohner nebst solch edlen Fischen wie Kois. Doch wie Teiche angelegt sein sollten, damit diese schwimmenden „Maybach“ darin gedeihen und sich vermehren, das wissen sie leider nicht. Trotzdem geben sie Ihnen gerne Rat.
- Spezialisten: Sie kennen alle Gartenblumen und jede Rosenart, nebst deren Merkmalen und Besonderheiten. Doch „rechts und links davon“ haben sie keine Ahnung. Wenn es um Teiche und deren Bewohner geht, sagen sie daher: „Davon habe ich keine Ahnung. Ich kann nicht für alles Experte sein.“
Sowohl mit einem Generalisten als auch Spezialisten kommen Sie beim Anlegen eines Koi-Teichs nicht weit – zumindest dann nicht, wenn dieser auch gut in die Gartenlandschaft eingepasst sein soll. Hierfür brauchen Sie einen Gärtner, der nicht nur das Gärtner-Handwerk beherrscht. Er muss sich auch gut mit Gartenteichen und der Haltung von Kois auskennen.
Der Gärtner sollte also ein Spezialist sein. Zugleich sollte er aber über den Tellerrand „Fischteich …“ oder „Garten anlegen“ hinausschauen können. Er sollte also das erforderliche fachliche Tiefenwissen mit dem für die Aufgabe nötigen Breitenwissen vereinen. „T-shaped“ nennen Bildungsexperten ein solches Qualifikationsprofil.
Wie viel Spezialwissen darf es sein?
Auch in der Informationstechnologie (IT) sind zunehmend Mitarbeiter mit einem entsprechenden Kompetenz- oder Qualifikationsprofil gefragt. Spricht man mit Personalverantwortlichen von Unternehmen, hört man oft folgende Klage:
„Mit den Informatikstudium-Absolventen ist es stets dasselbe. Wenn die bei uns anfangen, sind sie zwar fit, was die Technik angeht. Aber von den Strukturen und Abläufen in Unternehmen haben sie null Ahnung. Außerdem bringen sie kaum Ideen ein. Und strategisches Denken? Fehlanzeige. Für die reine Netzwerkadministration brauchen wir aber keine Akademiker. Ein gelernter Fachinformatiker liefert uns da dieselben Ergebnisse und kostet deutlich weniger.“
Die Unternehmen klagen also darüber, dass die Kompetenz- und Qualifikationsprofile ihrer (jungen) IT-Fachleute oft eben nicht T-shaped sind. Sie sind entweder Generalisten, die salopp formuliert von allem ein bisschen Ahnung haben, oder Spezialisten – also streng fokussiert auf ein Gebiet wie zum Beispiel die Netzwerkadministration.
Das ist an sich nicht schlimm. Denn auch Generalisten und Spezialisten werden gebraucht – aber im Service-Zeitalter immer weniger. Unternehmen benötigen zunehmend Mitarbeiter, die die Vorzüge beider Spezies in sich vereinen: sogenannte T-Shaped Professionals.
Die Sache mit dem „T“
Dass künftig mehr (IT-)Mitarbeiter mit einem solchen Kompetenzprofil benötigt werden, erkannten einige Bildungs- und Personalverantwortliche schon vor fast 20 Jahren. Zu diesem Zeitpunkt tauchte der Begriff „T-Shaped“ erstmals in der Fachliteratur auf. Und IBM legte bereits Mitte der 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts seiner Mitarbeiterförderung und -entwicklung das Modell einer „T-Shaped Career“ zugrunde.
Das Unternehmen IBM war es auch, das 2007 auf einer Konferenz Anwender fragte, was aus ihrer Warte für das erfolgreiche Einführen einer Service-orientierten IT-Architektur, kurz SOA, unabdingbar sei. Das Ergebnis: 68 Prozent der Befragten erachteten die Kombination von breiter Geschäftserfahrung und umfassendem IT-Know-how als Schlüssel zum Erfolg. Das heißt, die mit der SOA-Einführung betrauten Mitarbeiter dürfen keine reinen „IT-Cracks“ sein. Sie müssen auch Geschäftsprozesse und technische Konzepte verstehen und – an einem Leitmotiv ausgerichtet – miteinander in Einklang bringen können.
Das erfordert eine Aus- und Weiterbildung, die ebenso in die Breite wie in die Tiefe geht. Welche Fächer hierbei die Breite darstellen und welche in die Tiefe gehend vermittelt werden sollten, hängt von der Schwerpunktsetzung des Einzelnen ab.
Hierfür ein Beispiel (siehe Grafik 2). Ein Workflowmanagementexperte verfügt über ein vertieftes Expertenwissen (Tiefenwissen) in seinem informatischen Teilbereich. Darüber hinaus sollte er ein breites Verständnis (Breitenwissen) beispielsweise von Geschäftsprozessen und Organisationsstrukturen haben. Erst hierdurch gewinnt er die Kompetenz, sein Spezialwissen möglichst effizient und effektiv einzusetzen. Das erhöht auch den Wert seiner Arbeitskraft, denn dann erst ist sein Kompetenzprofil „rund“.
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